Was ist ein Retreat?
Wenn der Stress im Alltag zunimmt, fällt es vielen Menschen immer schwerer, Momente der Achtsamkeit zu schaffen. Die Probleme, Sorgen und Ängste nehmen überhand und Körper und Geist kommen aus dem Gleichgewicht. Wenn in einer solchen Situation ein kurzer Urlaub in einem Wellnesshotel nicht mehr die erhoffte Erholung bringt, kann ein sogenannter Retreat helfen. Hier steht allein die bewusste und allumfassende Entspannung im Vordergrund.
Was ist ein Retreat?
Unter dem Begriff Retreat versteht man den Rückzug aus dem Alltag, um den inneren Frieden wiederzufinden. Man lernt – oft in völliger Stille, begleitet von Klangschalen oder Meditationsmusik – sich auf sich selbst zu besinnen und seinen Fokus wieder auf das zu richten, was im Leben wirklich wichtig ist. Neben längeren Phasen der Zurückgezogenheit und verschiedensten Ansätzen der Meditation umfasst ein Retreat häufig auch sportliche Aktivitäten und Programme, die die körperliche Gesundheit fördern. Da in einem Retreat die eigenen Gedanken im Mittelpunkt stehen, kann man sich völlig von privatem und beruflichem Frust und Stress lösen.
Kriterien, die ein Retreat auszeichnen
Ein Retreat ist nicht mit einer Auszeit in einem Wellnessressort gleichzusetzen, denn der Rückzug aus dem Alltag wird bei einem Retreat dazu genutzt, das innere Gleichgewicht wiederzufinden. Und dabei wird gerne auf spirituelle Praktiken zurückgegriffen.
Folgende fünf Elemente zeichnen ein Retreat aus:
- Meditation
- Achtsamkeit
- Selbsterfahrungsübungen
- Reflexionen
- Stille
Der Tagesablauf in einem Retreat folgt dabei immer einer festen Struktur. Diese hilft den Teilnehmerinnen und Teilnehmern dabei, sich nicht mehr mit den äußeren Umständen zu beschäftigen, sondern den Fokus auf die Wiederfindung des inneren Friedens zu legen.
Der Ursprung des Retreats
Das Retreat hat, anders als sein englischer Name es vermuten lässt, seinen Ursprung im Buddhismus. So pflegten buddhistische Mönche bereits vor Jahrhunderten die Tradition, sich bewusst in Stille und Einsamkeit zurückzuziehen, um zu meditieren und spirituelle Erleuchtung zu finden. Diese in Asien bekannte Praxis des Zurückziehens aus dem Alltag wurde in den letzten Jahrzehnten von Amerikanern und Europäern entdeckt und unter dem Begriff Retreat gepflegt.
Heute gibt es in der westlichen Welt zahlreiche Retreat-Angebote, die sich teilweise strikt an die buddhistischen Vorgaben halten, andererseits aber auch welche, die den religiösen Ansatz adaptiert und neue Varianten des spirituellen Rückzugs entwickelt haben.
Warum ist ein Retreat wichtig?
Unabhängig davon, welche Art des Retreats du für dich wählst, ist diese Auszeit der richtige Weg für dich, wenn du durch den Stress im Alltag und unter dem Druck der Berufswelt zu taumeln anfängst. Achtsamkeit, Zeit zum Abschalten und ein Ort der Ruhe helfen dir dann, deine Gefühle und Gedanke zu sortieren und wieder Klarheit über dich selbst und dein Leben zu erlangen.
Für wen ist ein Retreat geeignet?
Ein Retreat ist für jeden geeignet und wirkt sich zu jederzeit positiv auf das innere Gleichgewicht aus. Es gibt jedoch Lebensphasen, in denen es wichtiger ist, sich aus dem stressigen Alltag zurückzuziehen, als in anderen. Droht beispielsweise die Gefahr, dass du dich überarbeitest oder sogar an einem Burnout zu erkranken drohst, ist es höchste Zeit, dich deinem inneren Befinden zu widmen. Auch, wenn die Seele aufgrund der privaten Situation leidet, kann ein Retreat der richtige Weg sein, um mit Kraft und Ausgeglichenheit zurück in den Alltag zu finden.
Braucht man ein Retreat, wenn man regelmäßig meditiert?
Wer regelmäßig meditiert und so gelernt hat, auf das innere Gleichgewicht zu achten, hat selbst eine gute Basis dafür gelegt, in stressigen Situationen belastbarer zu sein. Dennoch kann auch dann ein Retreat eine wertvolle spirituelle Auszeit sein – nämlich wenn man sich Zeit dafür nehmen will, die bereits geübte Achtsamkeit noch tiefer in sich selbst zu verankern. Ein Retreat ist daher nicht nur etwas für Menschen, die sich aufgrund aktueller Probleme aus dem Alltag zurückziehen müssen, sondern auch für jene, die durch eine Zeit der Stille ihre eigene Meditationspraxis vertiefen wollen.
Kann man trotz Angststörungen oder Depressionen an einem Retreat teilnehmen?
Ein Retreat sollte nicht der einzige Weg zur Besserung sein, kann aber als unterstützende Maßnahme ergriffen werden, wenn man sich selbst körperlich und psychisch dazu in der Lage fühlt. Zudem ist es wichtig, dass sich Betroffene vorab mit ihrer Psychotherapeutin bzw. ihrem Psychotherapeuten diesbezüglich absprechen. Auch mit der Leiterin bzw. dem Leiter des Retreats sollte vor Teilnahme Kontakt aufgenommen werden. So kann man abklären, ob die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu ausgebildet sind, mit akuten psychischen Episoden umgehen zu können. Ist das der Fall, kann ein Retreat eine gute und wirkungsvolle Ergänzung auf dem Weg zu einem angst– und depressionsfreien Leben sein.
Wie kann ich mich auf ein Retreat vorbereiten?
Um sich im Retreat zu 100% auf sich selbst konzentrieren zu können, ist es wichtig, sich vorab auf die Zeit der Stille vorzubereiten. Dabei unterscheidet man zwei Vorbereitungsarten:
1. Die äußere Vorbereitung
Vor dem Beginn eines Retreats gilt es einige Dinge zu berücksichtigen, die man vorab zu klären und zu organisieren hat – ähnlich wie bei jedem anderen längeren Urlaub auch. Wer übernimmt meine Aufgaben im Unternehmen? Welche Vorbereitungen muss ich treffen, damit alle Projekte trotz meiner Abwesenheit im Unternehmen zum Abschluss kommen? Wer kümmert sich während meiner Abwesenheit um Haus und Garten? Wo kann ich währenddessen meine Katzen unterbringen?
2. Die innere Vorbereitung
Die inneren Vorbereitungen sollten parallel zu den äußeren stattfinden, denn die Zeit vor einem Retreat birgt aufgrund der vielen zu erledigenden Dinge ein zusätzliches Stressrisiko. Versuche daher, bereits zwei Wochen vor Retreatbeginn täglich zu meditieren. Reduziere zudem die äußeren Reize, um dich langsam auf die Zeit der Stille einzustimmen.
Ist ein Retreat auch zu Hause möglich?
Vor einem Retreat ist viel zu tun, was häufig die Frage aufwirft, ob man sich nicht auch zuhause aus dem Alltag zurückziehen kann. Für Meditationen, autogenes Training und Gedankenreisen muss man ja nicht unbedingt das eigene Zuhause verlassen, oder? Das stimmt, dennoch empfiehlt sich für einen längeren Rückzug aus dem Alltag ein Ortswechsel. So minimiert man das Risiko von Ablenkungen und die Wahrscheinlichkeit, wieder in gewohnte Muster zu verfallen.
Wie beginnt ein Retreat?
Am besten ist es, in einem Retreat bereits entspannt anzukommen, plane daher genügend Zeit für die Anreise an. So kannst du dein Zimmer in Ruhe beziehen und deine Sachen einräumen. Vielleicht fällt dir nun auf, dass du etwas vergessen hast. Siehe diesen Moment bereits als erste Übung für dich selbst und wiederhole ein Mantra wie dieses: „Irgendwas fehlt immer und das ist okay.“ Nimm dir nun die Zeit, deine neue Umgebung zu erkunden und dich mit dieser vertraut zu machen. Vor dem Zubettgehen kannst du dich einem persönlichen Ritual hingeben und eine Haltung der Dankbarkeit annehmen. Besinne dich auf die Menschen, die dich zu diesem Retreat bewegt haben. Denke an die Unterstützung deiner Nächsten und lass so ein warmes Gefühl in dir aufkommen.
Wie ist der Ablauf eines Achtsamkeitsretreats?
Nicht alle Retreats sind gleich. Je nach Tradition, in der das Retreat steht, und abhängig von der Leitung unterscheiden sie sich im Ablauf. In einem Retreat, dass sich an der buddhistischen Vipassana-Tradition orientiert, kann ein Tagesablauf wie folgt aussehen:
7:00 – 8:30 Uhr: Meditation
8:30 – 10:00 Uhr: Achtsames gemeinsames Essen
10:00 – 13:00 Uhr: Meditation
13:00 – 13:30 Uhr: Achtsames gemeinsames Essen
13:30 – 15:30 Uhr: Selbstbestimmte Praxiszeit
15:30 – 18:30 Uhr: Meditation
18:30 – 20:00 Uhr: Achtsames Gemeinsames Essen
20:00 – 21:00 Uhr: Vortrag und Meditation
21:00 Uhr Nachtruhe
Hinter dem breiten Begriff der „Meditation“ fasst man in diesem Zusammenhang Methoden wie die Gehmeditation, die klassische Sitzmeditation, Body Scan, sanfte Körperarbeit und auch Liebende-Güte-Meditation zusammen.
Was dieser beispielhafte Plan anschaulich darstellt, ist, dass es in einem Retreat keine klassischen Pausen gibt. Pausen würden dazu auffordern, die Achtsamkeit wieder auf etwas anderes zu lenken als auf sich selbst. In einem Retreat soll hingegen jedes Gefühl und jede Bewegung Teil der gelebten Achtsamkeit sein.
Was verändert sich durch ein Retreat?
Um ein Retreat anzugehen, braucht es nicht nur Disziplin, sondern auch Mut. Denn sich in absoluter Stille ausschließlich mit sich selbst zu beschäftigen, ist kein leichtes Unterfangen. Phasen, in denen man innerlich ruht und den Gedankenstrom im Zaum halten kann, werden sich mit Phasen abwechseln, in denen innerliche Unruhe herrscht und der Geist nach Zerstreuung sucht. Er ist nicht länger mit den Problemen des Alltags beschäftigt, sondern frei von negativen Gefühlen, Sorgen und Ängsten. Er hat sich von allem befreit und gerade dieses Gefühl der inneren Freiheit kann schwer aushaltbar sein. Expertinnen und Experten nennen diesen Zustand die „unerträgliche Leichtigkeit des Seins“. Wenn dieses Gefühl eintritt, sucht der Geist verzweifelt nach Material, mit dem er sich beschäftigen kann. Er entwickelt Phantasievorstellungen, erfindet Geschichten, taucht in längst vergangene Geschehnisse ein oder schmiedet grandiose Zukunftspläne. Das tut er, um sich in diesen zu verlieren.
Die Phase der geistigen und emotionalen Überaktivität wechselt sich mit einem Zustand der absoluten Erschöpfung und inneren Abgestumpftheit ab. Man schafft es morgens vor Müdigkeit kaum aus dem Bett, um im nächsten Moment wieder von einem neuen Gedanken wachgerüttelt zu werden. Diese sich abwechselnden Phasen fördern nicht gerade das Durchhaltevermögen während einer Auszeit vom Alltag. Schon vor Jahrhunderten haben buddhistische Mönche diese alternierenden Geisteszustände ebenfalls durchlebt und ihnen den Namen „die fünf Hemmnisse“ gegeben. Diese sind:
- Zweifel
- Unruhe
- Trägheit
- Widerwille
- Verlangen
Mit zunehmender Meditationserfahrung werden diese Geisteszustände während der spirituellen Praxis jedoch immer schwächer.
Was gilt es am Ende eines Retreats zu beachten?
Am Ende eines Retreats stellt sich oft das Phänomen des vorauseilenden Geistes ein: Die Gedanken verharren nicht mehr in der Gegenwart, sondern kreisen immer öfter um den Alltag zuhause und die anstehenden Aufgaben im Job. Wenn der Geist vorauszueilen beginnt, empfiehlt es sich, die Achtsamkeit vermehrt auf die unruhigen Körperempfindungen und Gefühle zu richten, die durch die abschweifenden Gedanken ausgelöst werden. So kann man wieder zu sich selbst und ins Hier und Jetzt finden.
Die Vorbereitung auf die Rückkehr aus dem Retreat
Wie man sich auf die Ankunft in einem Retreat vorbereiten soll, so lohnt es sich auch, die eigene Rückkehr zu planen und bewusst zu erleben. Nach einer Auszeit ist es nicht ungewöhnlich, dass der eigene Alltag überfordert – ist er doch laut, schnell und anstrengend. Da ein Retreat die eigene Sensibilität verstärkt, braucht man Zeit und Freiräume, um seinen Platz im Leben wieder uneingeschränkt einnehmen zu können.
Bereite dein Umfeld also darauf vor, dass du die ersten Tage nach deiner Rückkehr sensibel bist und sie nachsichtig mit dir sein sollen. Achte auch darauf, dass du nach Wiederaufnahme deines Jobs die ersten Tage möglichst frei von anstrengenden Terminen hältst.
Soll man ein Retreat wiederholen?
Wenn du gemerkt hast, dass dir das Retreat gutgetan hat und du von der Zeit dort profitiert hast, macht es absolut Sinn, es zu wiederholen. Und zwar genau dann, wenn du merkst, dass dich der Stress des Alltags wieder einzunehmen droht.
Retreats im Rahmen von Achtsamkeitsseminaren
Ein Retreat kann mehrere Monate dauern, muss es aber nicht. Bereits eine mehrtägige Auszeit vom Alltag kann wahre Wunder bewirken. Wir vom Mindlead Institut (ehemaliges Mindful Leadership Institut) bieten nicht nur einen Lehrgang an, in dem du zu einer zertifizierten Beraterin bzw. einem zertifizierten Berater für Mindfulness in Organisationen ausgebildet wirst, sondern auch Seminare, die ein Retreat beinhalten. So umfasst eines der Module der Ausbildung zur Achtsamkeitstrainerin bzw. zum Achtsamkeitstrainer ein dreitägiges Retreat, um dich in spiritueller Praxis zu üben.
Zu unseren weiteren Kursen und Workshops wie auch zur Ausbildung zur Trainerin bzw. Trainer nach dem Salzburger Achtsamkeitsmodell kannst du dich hier informieren und vormerken lassen: